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- Psychologische Freiheit in vier Buchstaben: Die Kunst, "Nein" zu sagen
Manchmal ist das Schwierigste im Leben ein ehrliches „Nein“. Für viele klingt das Wort nach Ablehnung, Schuldgefühl oder schlechtem Gewissen. Wir sagen Ja, um niemanden zu verletzen, um Harmonie zu bewahren – und merken oft zu spät, dass wir uns selbst dabei verlieren. Dabei ist das Nein kein Angriff oder Ausdruck von Egoismus, sondern ein Akt der Selbstachtung. Wer „Nein“ sagen kann, sagt damit nämlich vor allem eins: „Ja“ zu sich selbst. Neinsagen lässt sich tatsächlich trainieren. Wie das Gehirn darauf reagiert, warum das limbische System so gern zustimmt und wie man in kleinen Schritten die Kunst des Nein wiederentdeckt, darum geht es in diesem Beitrag. Warum wir so oft „Ja“ sagen Unser Gehirn ist ein soziales Wesen – oder besser gesagt: ein Organ gewordener Teamplayer. Schon unsere steinzeitlichen Vorfahren wussten, dass Zugehörigkeit überlebenswichtig war. Wer „Nein“ sagte und dadurch aus der Gruppe fiel, riskierte Kälte, Hunger und den Säbelzahntiger. Heute droht uns kein Raubtier mehr, aber das limbische System reagiert noch immer, als wäre Ablehnung lebensbedrohlich. Die Amygdala – jene kleine, alarmfreudige Struktur tief im Gehirn – meldet bei sozialer Spannung sofort „Gefahr!“. Studien zeigen, dass Zurückweisung dieselben Hirnareale aktiviert wie körperlicher Schmerz. Kein Wunder also, dass wir lieber zu oft „Ja“ sagen, um Konflikte zu vermeiden. Hinzu kommt ein moderner Verstärker: das Dopamin . Jedes „Ja“ ist wie eine kleine Belohnung – jemand freut sich, jemand lobt, wir fühlen uns gebraucht. Das gibt einen kurzen Schub von Anerkennung, einen kleinen Glücksreiz. Unser Gehirn merkt sich das: „So fühlt sich Zugehörigkeit an – bitte mehr davon!“ Und so läuft der innere Automat weiter: freundlich, hilfsbereit und irgendwann überfordert. Wenn der Autopilot übernimmt Besonders unter Stress schaltet sich der präfrontale Kortex – das rationale Kontrollzentrum im Stirnhirn – gern als Erstes ab. Dann übernimmt das alte Programm: gefallen wollen, Erwartungen erfüllen, Harmonie sichern. Und während wir innerlich längst wissen, dass wir an der Grenze sind, hören wir uns sagen: „Ja, klar, das mache ich noch.“ Das ist kein Charakterfehler, sondern Neurobiologie in Aktion. Unser Gehirn hat schlicht gelernt, dass Zustimmung Sicherheit bringt. Doch auf Dauer führt diese Strategie in die Erschöpfung. Das ständige „Ja“ raubt Energie – und oft auch Authentizität. Das befreiende Nein Viele Menschen berichten in der Therapie, wie ungewohnt sich die ersten Abgrenzungsversuche im Alltag anfühlen. Das erste „Nein“ sorgt oft für irritierte Blicke – beim Kollegen, der plötzlich selbst zum Drucker laufen muss, oder bei der Freundin, die überrascht ist, dass man am Wochenende einfach mal nichts vorhat. Doch genau da beginnt die Übung: Man merkt, dass nichts Schlimmes passiert. Im Gegenteil – meistens entsteht sogar mehr Respekt. Mit der Zeit wird das Nein weniger dramatisch und mehr selbstverständlich, ein ganz normaler Teil des Wortschatzes. Und wer das ein paar Mal schafft, der spürt irgendwann: Das Leben wird ruhiger – fast so, als hätte jemand heimlich eine neue Funktion im Kopf freigeschaltet. Das Gehirn findet Grenzensetzen auch gut (wenn man es übt) Auch neurobiologisch lässt sich das Prinzip nachvollziehen: Wer regelmässig bewusste Entscheidungen trifft und sich abgrenzt, aktiviert verstärkt jene Hirnareale, die für Selbststeuerung zuständig sind - vor allem den präfrontalen Kortex. Gleichzeitig reagiert das emotionale Alarmsystem (die Amygdala) mit der Zeit gelassener. Das Gehirn lernt: "Ich darf mich abgrenzen - und es ist völlig ungefährlich." Man könnte sagen: Wer Nein sagt, bringt Ordnung ins Nervensystem. Statt Alarm und Schuldgefühlen entsteht Klarheit. Und genau diese Klarheit ist der Stoff, aus dem psychologische Freiheit besteht. Vier Buchstaben, ein Quantensprung Vielleicht ist das die eigentliche Kunst: das Nein nicht als "Kampfansage", sondern als Fürsorge zu begreifen. Ein freundliches Nein ist kein Rückzug, sondern eine Einladung zum ehrlicheren Miteinander. Wer öfter mal Nein sagt, kann sein Ja wieder mit Überzeugung meinen. Am Ende ist das Nein kein harter Schlussstrich, sondern ein stilles „Ich weiss, wer ich bin“. Und das ist vielleicht die schönste Freiheit überhaupt – in Suhr, in Aarau, in jedem Alltag, der manchmal zu voll ist. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Introvertiert, extravertiert - oder einfach nur ich?
Wenn Sie jemals an einem Freitagabend lieber mit einem Buch, einer Katze oder einer Wärmflasche auf dem Sofa geblieben sind, während andere auf einer Party „so richtig abschalten“ – und Sie sich dabei gefragt haben, ob mit Ihnen etwas falsch ist: Vielleicht sind Sie einfach introvertiert. Oder, wie die Forschung sagen würde, eher am „introvertierten Ende des Persönlichkeitskontinuums“. Aber bevor Sie sich endgültig in die Sofaecke zurückziehen: Extravertierte haben’s auch nicht immer leicht. Für sie kann sich ein einsamer Sonntagvormittag ohne soziale Interaktion wie eine ausgewachsene Sinnkrise anfühlen. Beide Temperamente – das stille und das laute – haben ihre Stärken und Herausforderungen. Was die Psychologie dazu sagt Die Begriffe Introversion und Extraversion gehen ursprünglich auf den Psychiater Carl Gustav Jung (1875 - 1961) zurück, der damit zwei grundsätzliche Ausrichtungen des psychischen "Energiesystems" beschrieb: nach innen (introvertiert) oder nach aussen (extravertiert). Moderne Persönlichkeitsforschung – etwa im Big-Five-Modell – betrachtet Extraversion als eines von fünf stabilen Persönlichkeitsmerkmalen. Menschen mit hoher Extraversion neigen dazu, gesellig, aktiv und gesprächig zu sein; sie suchen Anregung und Belohnung in der Aussenwelt. Introvertierte dagegen bevorzugen ruhigere Umgebungen, verarbeiten Reize tiefer und benötigen nach sozialen Ereignissen mehr Rückzugszeit, um wieder „aufzutanken“. Neurowissenschaftliche Untersuchungen stützen diese Unterschiede: Introvertierte zeigen häufig eine höhere Grundaktivität im sogenannten aufsteigenden retikulären Aktivierungssystem – vereinfacht gesagt, ihr Gehirn läuft schon bei moderater Stimulation auf Hochtouren. Extravertierte hingegen brauchen mehr Reize, um sich wohlzufühlen. Das erklärt, warum der eine nach zwei Stunden Smalltalk das Weite sucht, während es die andere gerade erst lustig findet. Zwischen Schwarz und Weiss liegt … ziemlich viel Grau Die wenigsten Menschen sind ausschliesslich intro- oder extravertiert. Die Forschung spricht von einem Kontinuum – und viele bewegen sich irgendwo in der Mitte. Der Begriff Ambivertierte beschreibt jene, die sich je nach Situation mal mehr nach innen, mal mehr nach aussen orientieren. Ein Beispiel: Sie geniessen ein Abendessen mit Freunden, freuen sich aber heimlich auf den Moment, wenn Sie wieder allein den Geschirrspüler einräumen dürfen. Klingt paradox? Willkommen im echten Leben. Missverständnisse und Mythen Introvertierte sind keine Mauerblümchen, und Extravertierte sind nicht automatisch oberflächlich. Introvertierte hören oft genauer hin, beobachten schärfer und treffen überlegte Entscheidungen. Extravertierte wiederum können leichter Kontakte knüpfen, inspirieren andere und bringen Energie in Gruppen. Beides sind wertvolle, funktionale Strategien – solange man nicht versucht, sich in die jeweils andere Schublade zu pressen. Der psychologische Schlüssel liegt in der Selbstakzeptanz : zu verstehen, dass Persönlichkeit keine Bewertung ist, sondern eine Beschreibung. Wenn Sie Ihre eigenen Bedürfnisse nach Ruhe, Kontakt, Spannung oder Stille kennen, können Sie gezielter für sich sorgen – und müssen sich nicht länger erklären, warum Sie bei Networking-Events plötzlich „vergessen, wie man redet“. Und was heisst das für den Alltag? Wenn Sie eher introvertiert sind: Planen Sie bewusste Erholungszeiten ein – keine Flucht, sondern Pflege Ihrer inneren Batterie. Kommunizieren Sie Ihren Rückzugsbedarf klar, bevor Sie erschöpft sind. Wenn Sie eher extravertiert sind: Üben Sie, Stille auszuhalten. Vielleicht entdecken Sie, dass aus Langeweile auch Kreativität entstehen kann (siehe auch hier ). Und für alle gilt: Die Welt braucht sowohl die, die zuhören, als auch die, die erzählen. In Teams, in Beziehungen, im Freundeskreis. Der Trick besteht darin, die eigenen Ressourcen zu kennen – und sie so einzusetzen, dass sie uns nicht ausbrennen, sondern nähren. Fazit Ob Sie nun lieber im Rampenlicht stehen oder im Hintergrund wirken – entscheidend ist nicht, was Sie sind, sondern wie gut Sie sich kennen . Psychologische Forschung zeigt: Wohlbefinden entsteht nicht durch Anpassung an ein Ideal, sondern durch Authentizität. Vielleicht ist die geeignetste Antwort auf die Frage „Bin ich introvertiert oder extravertiert?“ also schlicht: „Kommt drauf an – aber ich bin ziemlich gut darin, ich selbst zu sein.“ Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Wenn das Licht schwindet - über die jahreszeitenabhängige Depression
Wenn die Tage kürzer werden, rutscht bei manchen nicht nur die Temperatur nach unten, sondern auch die Stimmung. Die jahreszeitenabhängige Depression ist häufig – und gut behandelbar. Was hilft, zeigt dieser Beitrag. Die saisonal abhängige Depression (SAD) ist eine wiederkehrende depressive Episode, die typischerweise im Herbst und Winter auftritt und sich im Frühling spontan bessert. Kennzeichnend sind Antriebsmangel, gedrückte Stimmung, erhöhtes Schlafbedürfnis und vermehrter Appetit auf Kohlenhydrate. SAD - was passiert da eigentlich? Tageslicht steuert über die Netzhaut im Auge unsere innere Uhr, die wiederum Hormone wie Melatonin (Schlafhormon) und Serotonin ("Stimmungshormon") reguliert. Wenn im Herbst die Lichteinstrahlung deutlich abnimmt, gerät dieses System aus dem Gleichgewicht: Der Melatoninspiegel steigt – wir fühlen uns müder, antriebsloser. Gleichzeitig sinkt die Serotoninaktivität – das schlägt auf die Stimmung. Nicht alle Menschen reagieren gleich stark. Genetische Faktoren, eine erhöhte Lichtempfindlichkeit und hormonelle Einflüsse (bei Frauen häufiger) spielen eine Rolle. Typische Symptome Die jahreszeitenabhängige Depression hat ihr eigenes Muster: gedrückte Stimmung, Interessenverlust, sozialer Rückzug ausgeprägte Müdigkeit und erhöhtes Schlafbedürfnis gesteigerter Appetit, besonders auf Kohlenhydrate („Winterhunger“) Gewichtszunahme Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit Die Beschwerden beginnen meist im Oktober oder November und klingen im März oder April wieder ab. Was hilft Die Behandlungsempfehlungen sind gut erforscht und auch in der deutschsprachigen S3-Leitlinie Depression beschrieben: Lichttherapie Die wirksamste spezifische Behandlung. Empfohlen wird eine tägliche Bestrahlung mit etwa 10 000 Lux für 30 bis 45 Minuten, idealerweise am Morgen. Viele Betroffene spüren schon nach ein bis zwei Wochen eine deutliche Besserung. Wichtig: Nur zertifizierte medizinische Geräte verwenden – keine einfache Schreibtischlampe! Bewegung und Tageslicht Tägliche Spaziergänge, selbst bei grauem Himmel, wirken stärker als jede Innenbeleuchtung. Bewegung hebt zusätzlich den Serotoninspiegel und stabilisiert den Tagesrhythmus. Psychotherapie Besonders die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich bewährt. Sie hilft, negative Denkmuster zu erkennen, Aktivität zu fördern und soziale Rückzüge zu verhindern. Manchmal wird sie schon vorbeugend vor der „dunklen Saison“ begonnen. Medikamente Wenn Lichttherapie und Psychotherapie nicht ausreichen oder die Depression stark ausgeprägt ist, kommen Antidepressiva (meist SSRIs) infrage. Sie werden nach denselben Grundsätzen eingesetzt wie bei anderen Depressionen, oft aber nur über die Wintermonate. Vorbeugung Wer weiss, dass er zu SAD neigt, kann schon im Spätsommer mit Lichttherapie oder psychotherapeutischer Unterstützung beginnen. Eine stabile Tagesstruktur und regelmässige Schlafenszeiten helfen zusätzlich. Was man selbst tun kann Feste Rituale schaffen: Zeiten für Licht, Bewegung und soziale Kontakte. Morgens helles Licht, abends gedämpftes – das stabilisiert die innere Uhr. Arbeitsplatz und Aufenthaltsorte möglichst am Fenster wählen. Auf Ernährung achten: komplexe Kohlenhydrate, ausreichend Eiweiss, wenig Zucker und Alkohol. Sich nicht verurteilen: Die dunkle Jahreszeit darf ein anderes Tempo haben. Wann man therapeutische Hilfe holen sollte Wenn die Niedergeschlagenheit länger als zwei Wochen anhält, Antrieb und Freude schwinden oder der Alltag kaum mehr zu bewältigen ist, sollte man nicht abwarten. Eine fachärztliche oder psychotherapeutische Abklärung hilft, die richtige Behandlung zu finden – und verhindert, dass sich die Depression von Jahr zu Jahr vertieft. Zum Schluss Die saisonale Depression ist keine Schwäche, sondern eine biologisch mitverursachte Erkrankung – und sie ist gut behandelbar. Mit Licht, Bewegung, Struktur und gegebenenfalls Therapie kehrt die Leichtigkeit meist schneller zurück, als man denkt. Und wenn im Frühling das erste helle Licht durch die Bäume fällt, weiss man: Es ist nicht nur die Sonne, die wiedergekommen ist, sondern auch ein Stück Lebensfreude. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Borderline - zwischen Schwarz-Weiss und Grautönen
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine der bekanntesten und gleichzeitig am meisten missverstandenen Diagnosen in der Psychiatrie. Wer den Begriff hört, denkt nicht selten an Drama, an emotionale Achterbahnen oder an brennende Beziehungsbrücken. Das trifft einen Teil der Realität, verfehlt aber den Kern. Tatsächlich handelt es sich um ein ernstzunehmendes Krankheitsbild, das mit grossem Leidensdruck verbunden ist – und dessen Erforschung in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte gemacht hat. Ein Blick auf die Symptome Charakteristisch für Borderline ist eine tiefe Instabilität in Stimmung, Selbstbild und Beziehungen. Gefühle wechseln rasant – von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt kann es manchmal nur wenige Minuten dauern. Beziehungen werden von Betroffenen oft als überaus intensiv erlebt – mal als lebensnotwendige Nähe, mal als existenzbedrohender Bruch. Für Aussenstehende wirkt das manchmal so, als stünde ständig alles auf dem Spiel. Viele Betroffene berichten ausserdem von einem chronischen Gefühl innerer Leere, manche von selbstverletzendem Verhalten oder suizidalen Gedanken. Dazu kommt oft eine ausgeprägte Impulsivität: zu viel essen, zu viel kaufen, zu viel konsumieren – manchmal alles gleichzeitig. Von aussen wirkt das chaotisch, von innen oft wie ein permanenter Ausnahmezustand. Häufigkeit und Beginn Die Häufigkeit liegt in der Allgemeinbevölkerung bei etwa ein bis zwei Prozent, in psychiatrischen Einrichtungen sind es deutlich mehr. Lange wurde die Störung überwiegend bei Frauen diagnostiziert, doch neuere Daten legen nahe, dass Männer ähnlich oft betroffen sind, allerdings mit etwas anderen Symptommustern – zum Beispiel mehr Substanzmissbrauch statt Selbstverletzung. Auch der Zeitpunkt des Beginns ist klarer definiert: Meist zeigen sich erste Symptome bereits in der Jugend. Das ist bedeutsam, denn frühe Interventionen scheinen besonders wirksam zu sein – das Gehirn ist in dieser Phase noch plastischer, Therapien können nachhaltiger greifen. Ursachen: ein Puzzle aus vielen Teilen Woher Borderline kommt, lässt sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Die Forschung spricht vom bio-psycho-sozialen Modell . Biologisch zeigen Studien, dass genetische Faktoren etwa 40 bis 60 Prozent des Risikos erklären. Neurowissenschaftler finden Auffälligkeiten im präfrontalen Kortex , der für Selbstkontrolle zuständig ist, in der Amygdala , die Emotionen reguliert, und im Hippocampus , der bei Stressverarbeitung und Gedächtnis eine Rolle spielt. Manche beschreiben es so: Das Gehirn reagiert bei Betroffenen auf emotionale Reize wie eine Surround-Sound-Anlage auf voller Lautstärke. Hinzu kommt, dass Stresshormone und Botenstoffe wie Serotonin oder Oxytocin die emotionale Empfindlichkeit verstärken können. Doch Biologie allein erklärt es nicht. Viele Betroffene berichten von traumatischen Kindheitserfahrungen wie Missbrauch, Vernachlässigung oder chronisch instabilen Bezugspersonen. Aber: Es gibt auch Menschen mit Borderline, deren Kindheiten unauffällig verliefen. Entscheidend ist, wie biologische Empfindsamkeit und Umweltfaktoren zusammenspielen. Wer von Natur aus empfindlicher reagiert, erlebt eine instabile Umgebung oft noch schmerzhafter. Auch die Art der Bindung in den frühen Lebensjahren scheint eine Rolle zu spielen – sichere, verlässliche Bindungen schützen, unsichere oder ambivalente erhöhen das Risiko. Verlauf und Behandlung Spannend ist, dass Borderline heute weniger als „lebenslange Persönlichkeitskatastrophe“ gilt. Der Verlauf ist in vielen Fällen günstiger, als lange angenommen wurde. Symptome wie Impulsivität oder extreme Stimmungsschwankungen können mit dem Alter abnehmen, und Therapien wirken besser, als man es vor einigen Jahrzehnten noch zu hoffen wagte. Besonders erfolgreich sind psychotherapeutische Verfahren. Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) etwa gilt als Goldstandard und hat sich nachweislich bei Emotionsregulationsstörungen und bei selbstschädigendem Verhalten bewährt. Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) stärkt die Fähigkeit, über eigene und fremde Gedanken nachzudenken – und wirkt oft deutlich auf Depressionen und Beziehungsprobleme. Auch die klassische kognitive Verhaltenstherapie (KVT) findet Anwendung, vor allem bei komorbiden Störungen wie Depression oder Angst, die bei Borderline häufig auftreten. Sie kann helfen, negative Denkmuster zu erkennen, Impulse bewusster zu steuern und den Alltag strukturierter zu gestalten. Manche neueren Programme integrieren KVT-Elemente in ein umfassenderes Behandlungskonzept, so dass Patientinnen und Patienten von einem flexiblen Werkzeugkasten profitieren. Nicht zuletzt zeigen Gruppentherapien grosse Effekte, gerade wenn es um Suizidalität und instabile Beziehungen geht. Medikamente spielen dagegen eher eine Nebenrolle: Sie können bei begleitenden Depressionen oder Angststörungen helfen, aber sie haben auf die Kernsymptome der Borderline-Störung keinen zuverlässigen Effekt. Fazit Borderline ist keine Charaktereigenschaft, sondern ein komplexes, aber behandelbares Krankheitsbild. Die Mischung aus genetischer Veranlagung, neurobiologischer Empfindsamkeit und psychosozialen Erfahrungen macht es so facettenreich. Und je besser wir diese Faktoren verstehen, desto klarer wird auch: Betroffene haben echte Chancen auf Besserung. Zwischen Schwarz und Weiss gibt es eben jede Menge Grautöne – und die sind oft überraschend bunt. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Perfektionismus – Fluch, Segen oder einfach nur anstrengend?
Wer kennt es nicht: das letzte Detail im Text wird noch einmal überarbeitet, die Wohnung noch einmal gesaugt, obwohl es eigentlich schon ordentlich aussieht. Perfektionismus gehört zum Alltag vieler Menschen und wird oft sogar als positive Eigenschaft betrachtet – immerhin stehen „Sorgfalt“ und „hohe Standards“ bei Arbeitgebern hoch im Kurs. Doch Perfektionismus ist ein zweischneidiges Schwert. Er kann motivieren und Leistungen steigern, aber auch blockieren, erschöpfen und im Extremfall krank machen. Wann Perfektionismus hilfreich sein kann Ein gewisses Ausmass an Perfektionismus ist ohne Zweifel nützlich. Wer hohe Ansprüche an sich stellt, achtet auf Qualität, verpasst weniger leicht wichtige Details und erzielt gute Ergebnisse. Gerade in Berufen, in denen Genauigkeit zählt – etwa in der Medizin, im Ingenieurwesen oder in der Wissenschaft – kann ein gesunder Perfektionismus eine echte Stärke sein. Auch im Studium oder bei kreativen Projekten motiviert er, dranzubleiben und Ergebnisse zu liefern, die man mit Stolz präsentieren kann. Wo Perfektionismus ins Ungesunde kippt Problematisch wird es, wenn der innere Antreiber überhandnimmt. Wenn aus „Ich möchte gute Arbeit leisten“ ein ständiges „Es muss perfekt sein, sonst ist es wertlos“ wird. Dann verwandelt sich ein potenzieller Segen in einen Fluch. Perfektionistische Menschen können sich in endlosen Überarbeitungen verlieren, Entscheidungen hinauszögern oder Aufgaben gar nicht erst beginnen – aus Angst, sie nicht makellos zu erfüllen. Dieses Muster geht oft mit hoher Selbstkritik, Versagensängsten und starkem Stress einher. Nicht selten kommt es zu Schlafproblemen, Erschöpfung oder depressiven Verstimmungen. Ein weiteres Risiko liegt in der sozialen Dimension: Wer sich selbst unerbittlich hohe Massstäbe setzt, erwartet diese oft auch von anderen. Das kann Beziehungen belasten – im Team, in der Partnerschaft oder in der Familie. Perfektionismus vs. Zwangsstörung – wo liegt der Unterschied? Perfektionismus wird oft mit einer Zwangsstörung verwechselt, doch die beiden Phänomene sind klar voneinander zu unterscheiden. Beim Perfektionismus geht es in erster Linie um hohe Ansprüche an die eigene Leistung und ein übersteigertes Streben nach Fehlerlosigkeit. Zwangsstörungen hingegen sind gekennzeichnet durch wiederkehrende, aufdrängende Gedanken (Zwänge) und/oder ritualisierte Handlungen (Zwangshandlungen) , die meist dazu dienen, Angst oder Anspannung zu reduzieren. Zwei Beispiele sollen das illustrieren: Perfektionistisch ist jemand, der seine Masterarbeit 20-mal überarbeitet, weil er das Gefühl hat, sie könnte noch besser sein. Zwanghaft wäre dagegen jemand, der die Arbeit immer wieder durchliest, weil er befürchtet, es könnten sonst katastrophale Folgen eintreten – etwa, dass ein Fehler im Text zu einem schweren Unfall führen wird. Das heisst: Perfektionismus kann anstrengend und belastend sein, erfüllt aber meist eine leistungsbezogene Funktion. Eine Zwangsstörung dagegen ist eine klinische Diagnose, die Leidensdruck und erhebliche Einschränkungen im Alltag verursacht und in der Regel eine professionelle Behandlung erfordert. Woher kommt Perfektionismus? Perfektionismus entsteht selten über Nacht. Häufig spielt die Erziehung eine Rolle: Kinder, die nur für fehlerfreie Leistungen gelobt werden oder sehr kritische Bezugspersonen erleben, verinnerlichen den Glaubenssatz, dass nur Perfektion Anerkennung bringt. Auch gesellschaftliche Einflüsse verstärken das Muster: Soziale Medien zeigen scheinbar perfekte Körper, Wohnungen und Lebensläufe – eine permanente Vergleichssituation, die den inneren Druck erhöht. Dazu kommt die individuelle Persönlichkeit: Manche Menschen sind von Natur aus gewissenhafter und empfindlicher für Kritik, was Perfektionismus verstärken kann. Wege aus der Perfektionsfalle Perfektionismus muss nicht gleich „abtrainiert“ werden – viele Menschen profitieren von ihren hohen Standards. Entscheidend ist, Mass und Balance zu finden. Hilfreich können dabei sein: Realistische Ziele setzen : Nicht jede Aufgabe muss auf Spitzenniveau erledigt werden. „Gut genug“ ist oft wirklich gut genug. Fehlerfreundlichkeit üben : Fehler sind Lernchancen, keine Katastrophen. Wer sie als Teil des Prozesses akzeptiert, nimmt sich Druck. Manchmal sind Fehler auch schlicht egal. Prioritäten klären : Manche Bereiche dürfen perfekt sein (z. B. eine wichtige Präsentation), andere nicht (z. B. die Schublade, deren Inhalt nicht farblich sortiert ist). Selbstmitgefühl entwickeln : Den inneren Kritiker durch einen wohlwollenden inneren Begleiter ersetzen – das entlastet nachhaltig. Bei starkem Leidensdruck oder wenn Perfektionismus in eine lähmende Überforderung kippt, kann psychotherapeutische Unterstützung helfen, eingefahrene Muster zu erkennen und neue Strategien zu entwickeln. Fazit Perfektionismus ist weder per se ein Fluch noch ein Segen – sondern ein Persönlichkeitsmerkmal mit zwei Gesichtern. In Massen kann er motivieren und Leistungen verbessern. Wird er jedoch übermächtig, wird er anstrengend, blockierend und riskant für die psychische Gesundheit. Wichtig ist, Perfektionismus klar von Zwangsstörungen abzugrenzen und gleichzeitig einen gesunden Umgang mit den eigenen Ansprüchen zu lernen. Am Ende bleibt die Frage: Muss wirklich alles perfekt sein? Oder reicht es manchmal, zufrieden zu sein – mit einem Ergebnis, das vielleicht nicht makellos, aber menschlich-sympathisch ist? Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Bupropion - mehr Energie im Kopf?
Antidepressiva haben meist ein Imageproblem: schläfrig, antriebslos, Gewichtszunahme. Bupropion bricht mit diesem Klischee. Das Medikament, das ursprünglich als Nikotinersatz entwickelt wurde, wirkt auf eine ungewöhnliche Weise – und hat sich als Antidepressivum mit besonderen Eigenschaften etabliert. Es gilt als das „Wachmacher-Medikament“ unter den Stimmungsaufhellern, ohne klassisches Suchtpotenzial. Doch was steckt wirklich dahinter? Wie wirkt Bupropion eigentlich? Im Gegensatz zu den verbreiteten SSRIs (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) setzt Bupropion nicht primär am Serotonin an, sondern beeinflusst Dopamin und Noradrenalin . Diese beiden Botenstoffe sind eng mit Antrieb, Motivation und Wachheit verbunden. Deshalb berichten viele Patient:innen von gesteigerter Energie und weniger emotionaler Abstumpfung. Spannend: Bupropion gilt als „atypisches Antidepressivum“, da es nicht die klassische sedierende Wirkung entfaltet. Für Menschen, die sich eher gehemmt und antriebslos fühlen, kann das ein echter Vorteil sein. Gleichzeitig ist es aber kein „Happy-Pill“ – die Wirkung ist subtiler, "realistischer" und braucht wie bei allen Antidepressiva mehrere Wochen Zeit. Nebenwirkungen Kein Medikament ohne Schattenseite. Bei Bupropion können Nervosität, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen auftreten. Das Risiko für Krampfanfälle ist zwar sehr gering, spielt aber bei höheren Dosierungen eine Rolle. Positiv: Im Vergleich zu vielen anderen Antidepressiva führt Bupropion kaum zu Gewichtszunahme, im Gegenteil: Der Appetit nimmt unter Behandlung eher ab. Auch sexuelle Funktionsstörungen sind meist kein Thema. Off-Label-Gebrauch und Doppelrolle Neben Depressionen wird Bupropion auch zur Rauchentwöhnung eingesetzt. Der Mechanismus ist ähnlich: Dopamin und Noradrenalin werden moduliert, wodurch der Suchtdruck sinkt. In einigen Ländern wird es ausserdem zur Unterstützung bei ADHS eingesetzt, wenn klassische Stimulanzien nicht vertragen werden. In der Schweiz ist Bupropion dafür aber nicht zugelassen. Für Patient:innen, die neben einem ADHS zusätzlich an einer Depression leiden, ist es aber wiederum eine gute Option. Fazit Auch Bupropion ist kein Wundermittel, aber eine spannende Option im Arsenal der modernen Antidepressiva. Besonders Menschen, die unter Antriebslosigkeit leiden oder von den Nebenwirkungen klassischer SSRIs genervt sind, können profitieren. Es zeigt: Antidepressiva müssen nicht immer müde machen – manchmal können sie genau das Gegenteil bewirken. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Warum Grübeln keine Probleme löst - aber trotzdem so verführerisch ist
Es gibt Dinge, die wir immer wieder tun, obwohl wir wissen, dass sie uns nicht guttun. Chips nach Mitternacht essen zum Beispiel. Oder die Lieblingsserie „nur noch fünf Minuten“ laufen lassen – und plötzlich ist es drei Uhr morgens. Und dann gibt es da noch das Grübeln . Stundenlanges Kreisen im Kopf, als hätte man eine kaputte Schallplatte aufgelegt. Und das Verrückte daran: Wir merken meist ziemlich schnell, dass es uns nicht weiterbringt. Trotzdem können wir kaum aufhören. Aber warum ist Grübeln so verführerisch – und gleichzeitig so wirkungslos ? Ein Blick in die Psychologie und Neurowissenschaften gibt spannende Antworten. Grübeln – die Endlosschleife im Kopf Psychologisch betrachtet ist Grübeln ein kognitiver Prozess, bei dem wir immer wieder über dieselben Probleme nachdenken, ohne zu einer Lösung zu kommen. Es unterscheidet sich von „gesundem Nachdenken“, weil Grübeln nicht zielgerichtet ist. Statt zu einer Erkenntnis zu führen, verstärkt es negative Gefühle. Typische Grübel-Gedanken klingen zum Beispiel so: „Warum habe ich das damals so gesagt?“ „Hätte ich es besser machen müssen?“ „Was, wenn morgen alles schiefläuft?“ Klingt vertraut? Willkommen im Club! Neurowissenschaft: Das Gehirn liebt Schleifen Spannend ist, dass Neurowissenschaftler für das Grübeln ein eigenes Netzwerk im Gehirn identifiziert haben: das sogenannte Default Mode Network (DMN) . Dieses Netzwerk wird aktiv, wenn wir nicht bewusst auf eine Aufgabe konzentriert sind – also beim Tagträumen, Erinnern, aber auch beim Grübeln. Das DMN verbindet Hirnregionen, die unter anderem mit Selbstreflexion, Erinnerungen und Zukunftsplanung zu tun haben. Eigentlich eine schlaue Einrichtung – schliesslich hilft es uns, aus Erfahrungen zu lernen und Pläne zu schmieden. Das Problem: Bei Menschen, die zu viel grübeln (z. B. bei Depressionen oder Angststörungen), ist das DMN überaktiv. Das Gehirn läuft dann wie eine Waschmaschine im Endlos-Programm. Statt ein Problem zu „waschen und zu lösen“, wird es nur durchgeknetet, bis es völlig verformt ist. Warum Grübeln so verführerisch wirkt Man könnte meinen: Wenn Grübeln keinen Nutzen bringt, müssten wir doch sofort damit aufhören. Leider denkt das Gehirn nicht so logisch. Es gibt mindestens drei Gründe, warum Grübeln uns festhält: Das Gefühl von Kontrolle Wenn wir grübeln, haben wir das Gefühl, aktiv etwas zu tun. Das Gehirn suggeriert uns: „Ich arbeite doch gerade am Problem!“ – auch wenn wir in Wahrheit nur im Kreis laufen. Belohnung durch Schein-Einsichten Manchmal haben wir beim Grübeln kleine „Aha-Momente“. Das wirkt wie ein Dopamin-Kick: Kurz glauben wir, der Knoten sei geplatzt – bis sich die Gedanken doch wieder im Kreis drehen. Angst-Vermeidung Grübeln gibt uns die Illusion, dass wir Gefahren im Voraus kontrollieren können („Wenn ich nur lange genug drüber nachdenke, kann ich vorbereitet sein“). Neurowissenschaftler nennen das eine Art mentales Sicherheitsritual – ähnlich wie beim Zwangsdenken. Forschung: Grübeln verstärkt das Leiden Studien zeigen, dass Grübeln nicht nur wirkungslos ist, sondern sogar verstärkend auf negative Emotionen wirkt. In der Depressionsforschung gilt Grübeln als einer der wichtigsten Faktoren, die eine depressive Episode verlängern oder vertiefen. Neuroimaging-Studien (z. B. an der University of Michigan) zeigen, dass das Grübeln die Amygdala , das Angstzentrum des Gehirns, immer wieder aktiviert. Gleichzeitig bleibt die präfrontale Kontrolle schwach – also genau die Hirnregion, die eigentlich helfen sollte, rationale Lösungen zu finden. Ergebnis: mehr Stresshormone, schlechtere Stimmung, weniger Handlungsfähigkeit. Kurz gesagt: Grübeln fühlt sich an, als würden wir an einer Lösung arbeiten – in Wirklichkeit blockieren wir uns selbst. Und was hilft gegen Grübeln? Die gute Nachricht: Grübeln ist kein Schicksal, sondern kann auch begrenzt werden. Neurowissenschaft und Psychotherapie bieten verschiedene Ansätze: Achtsamkeitstraining: Studien belegen, dass Achtsamkeit (z. B. Atemübungen, Meditation) das DMN beruhigt. Statt in Gedankenkarussellen zu hängen, üben wir, den Moment bewusst wahrzunehmen. Kognitive Verhaltenstherapie: Hier lernen Betroffene, Grübel-Gedanken zu erkennen und zu unterbrechen. Zum Beispiel durch „Stopp-Techniken“ oder das gezielte Einplanen von „Grübel-Zeit“. Verhaltensexperimente: Oft hilft es, ins Handeln zu kommen. Wer grübelt, ob er einen Anruf vermasselt hat, kann die Person einfach anrufen – statt zehn Szenarien im Kopf durchzuspielen. Körperliche Aktivität: Bewegung lenkt nicht nur ab, sondern aktiviert Netzwerke im Gehirn, die dem DMN entgegenwirken. Schon ein Spaziergang kann helfen, das Gedankenkarussell auszubremsen. Fazit: Ein bisschen Nachdenken ja – Grübeln nein Grübeln ist wie ein Kaugummi, an dem man schon zu lange kaut: Am Anfang hat er Geschmack, irgendwann ist er nur noch zäh und nutzlos. Die Neurowissenschaft zeigt, dass unser Gehirn Schleifen liebt – aber wir müssen lernen, auszusteigen, wenn die Runde endlos wird. Also: Beim nächsten Mal, wenn Sie sich im Gedankenkarussell wiederfinden – denken Sie dran, dass es keinen Ausgang gibt, solange Sie sich immer im Kreis drehen. Manchmal ist es besser, einfach auszusteigen und den Platz zu wechseln. Und wenn’s schwerfällt: Das geht nicht nur Ihnen so. Ihr Gehirn macht einfach das, was es evolutionär gelernt hat – manchmal ein bisschen zu gründlich. 😉
- Warum Langeweile Ihr Gehirn erholt - und kreativer macht als Sie denken
Hand aufs Herz: Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig gelangweilt? Nicht nur „Ich warte auf das Postauto“-langweilig, sondern dieses tiefe Gefühl von: „Ich weiss grad echt nicht, was ich mit mir anfangen soll.“ Die Chancen stehen hoch, dass Sie in genau diesem Moment zum Smartphone gegriffen haben – und schwupps, schon war das Gefühl wieder weg. Willkommen in der Schweiz 2025: Alles läuft wie ein gut geöltes Uhrwerk, nur Langeweile hat kaum mehr Platz. Doch genau diese unterschätzte Erfahrung könnte Ihr Gehirn nicht nur regenerieren, sondern auch kreativer machen, als Sie denken. Klingt paradox? Lassen Sie uns gemeinsam eintauchen. Was ist Langeweile übe rhaupt? Psycholog:innen definieren Langeweile als einen unangenehmen emotionalen Zustand, der entsteht, wenn wir nicht genug externe Reize haben oder wenn die Situation unsere Aufmerksamkeit nicht fesselt. Kurz gesagt: Ihr Hirn schreit nach Action – und bekommt nur einen Kaktus im Wartezimmer als Unterhaltung. Unterschied zwischen „nichts zu tun“ und „sich langweilen“ Wichtig: Nichts tun ist nicht automatisch Langeweile. Wer gemütlich auf der Couch liegt und bewusst chillt, erlebt Entspannung. Wer aber das Gefühl hat, die Minuten ziehen sich wie Raclette-Käse im Januar – das ist Langeweile. Ein kurzer Ausflug ins Gehirn Das Default Mode Network – warum das Hirn im Leerlauf auf Hochtouren läuft Wenn Sie sich langweilen, schaltet Ihr Gehirn auf ein erstaunliches Netzwerk um: das Default Mode Network (DMN). Das klingt wie ein IT-Fehler, ist aber ein geniales System. Im DMN sortiert das Gehirn Erinnerungen, plant Zukunftsszenarien und knüpft lose Gedankenstränge zusammen. Mit anderen Worten: Während Sie scheinbar „nichts“ tun, läuft im Hintergrund ein Mega-Update für Ihre mentale Software. Neurotransmitter und Langeweile: Dopamin, Serotonin & Co. Dazu kommt das Dopamin-System: Erst fühlen wir uns unruhig, weil das Belohnungszentrum keine „Likes“ bekommt. Doch wenn wir durchhalten, schüttet das Hirn später Dopamin aus – nämlich genau dann, wenn plötzlich neue Ideen auftauchen. Warum Langeweile gesund ist Stressabbau und mentale Regeneration Studien zeigen: Menschen, die regelmässig Leerlauf haben, sind weniger gestresst und erholen sich schneller. Langeweile ist wie eine Gratis-Sauna fürs Gehirn – ganz ohne Eintrittskarte. Bessere Selbstwahrnehmung und Achtsamkeit Wenn Sie mal keine Push-Nachrichten bekommen, merken Sie vielleicht plötzlich wieder: „Ach, so atme ich also.“ Dieser Selbstfokus stärkt die Achtsamkeit – etwas, das in vielen Therapien gezielt trainiert wird. Schlaf, Tagträume und Mini-Urlaub fürs Hirn Langeweile fördert Tagträume – und Tagträume sind die kleine Schwester vom REM-Schlaf. Sie helfen beim Problemlösen und geben dem Gehirn eine Art „Zwischenferien“. Langeweile und Kreativität – eine Liebesgeschichte Studienlage: Warum Künstler:innen, Erfinder:innen und Denker:innen Langeweile schätzen Ob Einstein, der gerne ziellos spazieren ging, oder die vielen Autor:innen, die ihre besten Ideen unter der Dusche hatten: Kreativität liebt Langeweile. Ein paar Beispiele: Sie fahren im Zug von Zürich nach Chur? Endlos Tunnel, Kühe und Berge – perfekter Nährboden für eine neue Geschäftsidee. Sie machen eine Bergwanderung? Nach drei Stunden Serpentinen kommt plötzlich der Gedanke, wie sich ein Problem lösen lässt. Sie zählen Kühe auf einer Weide? Langweilig? Vielleicht. Inspirierend? Bestimmt. Moderne Welt vs. Langeweile: Warum wir sie kaum noch aushalten Smartphones, Social Media und der „Dopamin-Dauerbeschuss“ Wir leben in einer Welt, in der Langeweile sofort „weggewischt“ wird – durch TikTok, Insta oder Chatgruppen. Unser Gehirn ist auf permanente Belohnung konditioniert. FOMO, Burnout und die Angst vor dem Stillstand Die Kehrseite: Wer Langeweile nie zulässt, riskiert Burnout, Überlastung und die ständige Angst, etwas zu verpassen (FOMO). Praktische Tipps: So nutzen Sie Langeweile für Ihr Gehirn Digitale Pausen & bewusstes Nichtstun Handy in den Flugmodus schalten. Einfach mal 10 Minuten an die Decke starren. Kreative Langeweile-Rituale Spaziergang ohne Musik. Tagebuch schreiben. Stricken, Malen oder Sudoku. Langeweile in der Therapie Gerade in der Psychotherapie kann Langeweile wertvoll sein: Sie bietet ein Zeitfenster, in dem Neues entstehen kann. Aushalten statt Ablenken – und plötzlich kommen verdrängte Gedanken hoch. Häufige Missverständnisse über Langeweile „Langeweile ist Faulheit“ – Mythos entlarvt Faulheit ist, wenn man absichtlich nichts tut. Langeweile ist, wenn das Hirn hungrig nach Sinn ist. Ein riesiger Unterschied. „Nur Kinder langweilen sich“ – falsch gedacht Auch Erwachsene erleben Langeweile – nur geben sie’s seltener zu. FAQs: Alles, was Sie schon immer über Langeweile wissen wollten 1. Ist Langeweile wirklich gesund? Ja – sie gibt dem Gehirn Regenerationszeit und fördert Kreativität. 2. Wie lange sollte man Langeweile „aushalten“? Schon 10–15 Minuten ohne Ablenkung können Sie zu neuen Inspirationen verhelfen. 3. Kann Langeweile Depressionen auslösen? In seltenen Fällen kann chronische Langeweile (Anhedonie) ein Symptom sein – hier lohnt sich eine ärztliche Abklärung. 4. Wie kann ich mich in einer Welt voller Ablenkungen bewusst langweilen? Digitale Detox-Momente, Spaziergänge und bewusstes Nichtstun helfen. 5. Gibt es Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen? Kinder lernen durch Langeweile, kreativ zu werden. Erwachsene nutzen sie eher zur Reflexion. 6. Ist Langeweile in der Psychotherapie ein Thema? Ja – viele Therapien nutzen bewusst „Pausen“, um innere Prozesse anzustossen. Fazit: Warum Langeweile kein Feind, sondern ein Freund fürs Leben ist Stellen Sie sich Langeweile als Ihre Gratis-Psychotherapeutin vor: Unbequem, manchmal nervig, aber unglaublich heilsam. Ob auf einer Zugfahrt durch den Aargau, beim Warten in der Arztpraxis oder wenn das Handy gerade am Strom hängt - wagen Sie es, die Langeweile auszuhalten. Ihr Gehirn wird es Ihnen danken. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Die überraschend schönen Seiten einer Psychiatrie-Praxis*
Wenn hier von den „schönen Seiten“ einer psychiatrischen Praxis die Rede ist, meine ich nicht die Möbel, Wandfarben oder die Anordnung der Stühle – auch wenn eine angenehme Umgebung durchaus helfen kann. „Schön“ meint hier etwas Tieferes: Momente, in denen man spürt, dass etwas Gutes passiert. Augenblicke, in denen Verständnis entsteht, Hoffnung aufblüht und das Gefühl wächst: Hier bin ich mit meinem Erleben nicht falsch. *natürlich sind hier auch Praxen psychologischer Therapeut:innen gemeint Vorurteile und Wirklichkeit – warum Psychiatrie oft falsch verstanden wird Viele Menschen verbinden Psychiatrie mit Schwere, Endstation oder gar Bedrohung. Bilder aus Filmen und Schlagzeilen prägen das, was wir zu wissen glauben. Die Wirklichkeit sieht jedoch oft ganz anders aus: Eine psychiatrische Praxis ist in erster Linie ein Ort, an dem Menschen ein Stück Last ablegen können. Hier geht es nicht um Abgrenzung, sondern um Annahme. Das Überraschende: Wer einmal den Schritt hineingewagt hat, erlebt oft weniger Distanz und mehr Wärme, als er erwartet hätte. Begegnungen, die tragen – die Kraft menschlicher Verbindung Das Herzstück einer psychiatrischen Praxis sind nicht die Diagnosen oder Medikamente – sondern die Begegnungen. Es sind die Momente, in denen ein Blick sagt: Ich verstehe dich. Es sind die Gespräche, die nicht nur analysieren, sondern zuhören. Manche Patient:innen berichten, dass allein das Gefühl, ernst genommen zu werden, schon eine erste Entlastung bringt. Die Begegnung auf Augenhöhe – egal, ob mit Ärzt:in, Therapeut:in oder Mitpatient:in – kann tragen, wenn sonst nichts mehr trägt. Ein Raum für echte Geschichten – nicht nur für Diagnosen In einer guten psychiatrischen Praxis ist der Mensch mehr als seine Symptome. Hier ist Raum für die ganze Geschichte – für die Verletzungen, aber auch für die Ressourcen. Es geht nicht nur um „Was stimmt nicht?“, sondern auch um „Was hat Sie bisher getragen?“ und „Was ist Ihnen wichtig?“. Diese Art des Zuhörens kann das Selbstbild verändern. Plötzlich sieht man nicht nur die eigenen Schwächen, sondern auch die Stärke, die man bisher vielleicht gar nicht bemerkt hat. Wenn Hoffnung wieder Wurzeln schlägt Hoffnung wächst oft im Verborgenen. In einer psychiatrischen Praxis kann sie wieder sichtbar werden. Manchmal ist es ein Satz, der hängen bleibt: „Das können wir gemeinsam schaffen.“ Manchmal ist es eine kleine Veränderung – ein besserer Schlaf, ein Tag mit weniger Angst. Und manchmal ist es einfach das Wissen: Ich bin nicht allein mit dem, was mich belastet. Solche Momente sind nicht spektakulär, aber sie sind hilfreich – und für viele Patient:innen der Anfang einer besseren Phase. Unerwartete Entdeckungen – was Patient:innen oft überrascht Viele Menschen kommen mit dem Gefühl: Ich weiss nicht, ob das hier überhaupt helfen kann. Und gehen mit der Erfahrung: Es hat etwas in Bewegung gebracht. Oft sind es die kleinen, unscheinbaren Dinge – ein Gedanke, der hängen bleibt, ein Blickwinkel, der sich verschiebt, ein Satz, der Mut macht. Manchmal entdeckt man in einer Therapiesitzung auch eine Fähigkeit, von der man nicht wusste, dass man sie hat – wie das eigene Durchhaltevermögen oder die Fähigkeit, anderen beizustehen. Diese Entdeckungen sind vielleicht das Schönste an einer psychiatrischen Praxis: Sie zeigen, dass Heilung nicht nur bedeutet, weniger Symptome zu haben, sondern mehr Leben zu spüren. Fazit Eine psychiatrische Praxis ist kein Ort, an dem nur „Probleme besprochen“ werden. Sie kann ein Raum sein, in dem Menschen sich gesehen, verstanden und gestärkt fühlen – ein Ort, der hilft, wieder Boden unter den Füssen zu finden. „Schön“ ist hier nicht das Offensichtliche, sondern das Tiefe: Begegnungen, Hoffnung, Entdeckungen. Wer das erlebt, sieht Psychiatrie nicht mehr als letzte Station, sondern als Wegweiser zu einem besseren Leben. FAQs – Häufige Fragen aus Patient:innensicht 1. Ist Psychiatrie nur für schwere psychische Erkrankungen? Nein, sie kann bei allen psychischen Belastungen helfen – ob leicht oder schwer. 2. Muss ich mich sofort auf Medikamente einstellen? Nein. Oft stehen Gespräche und andere Therapieformen im Vordergrund. Manchmal wird aber auch ein Medikament - zusätzlich - empfohlen. 3. Was, wenn ich mich unwohl fühle? Sie haben jederzeit das Recht, Behandler:innen zu wechseln oder andere Angebote zu nutzen. 4. Kann ich eine Begleitperson mitbringen? In vielen Praxen ist das möglich, besonders beim Erstgespräch. 5. Wie lange dauert es, bis sich etwas verändert? Das ist individuell sehr unterschiedlich – manchmal wenige Wochen, manchmal länger. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Warum wir in Krisen oft die besten Entscheidungen treffen - und manchmal die schlechtesten
Wenn Klarheit und Chaos dicht beieinander liegen Es gibt Momente, da sind wir in Krisen erstaunlich handlungsfähig. Das Büro brennt, der Feueralarm heult, und plötzlich funktionieren Dinge wie von selbst: Menschen reagieren schnell, klar, zielgerichtet. Einer organisiert die Flucht, eine andere beruhigt die Kollegen, jemand trägt gleichzeitig Laptops, Kaffee und die Praktikantin hinaus. Alles wirkt wie von einem unsichtbaren Drehbuch gesteuert. Und dann gibt es die andere Sorte Krise: die stillen, inneren. Mitten in der Nacht, kein Feuer, kein Rauch, aber im Kopf Alarmstufe Rot. Auf einmal erscheint es völlig vernünftig, am nächsten Morgen zu kündigen, nach Australien auszuwandern oder gleich ein völlig neues Leben zu beginnen. Manche Patient:innen berichten, dass ihre Nächte sich anfühlen wie endlose Krisensitzungen im Kopf – nur leider ohne Protokoll und ohne klaren Ausgang. Beide Situationen haben etwas gemeinsam: Das Gehirn steht unter Stress. Aber während wir in akuten Gefahren oft überraschend gute Entscheidungen treffen, verirren wir uns bei seelischem Druck manchmal in haarsträubende Gedankengänge. Zwischen Regen und Richtungswahl: Welche Entscheidung führt aus dem Sturm? Was in der Krise im Gehirn passiert Damit Sie verstehen, warum wir mal Helden und mal Chaos-Manager unserer eigenen Psyche sind, lohnt wieder einmal ein Blick ins Gehirn. Die Amygdala – eine kleine Struktur tief im Inneren – ist so etwas wie unser innerer Alarmknopf. Sie registriert Gefahr in Bruchteilen von Sekunden und aktiviert das Stresssystem. Herzschlag, Muskelspannung, Adrenalin – alles fährt hoch. Evolutionär war das überlebensnotwendig: Wer vor dem Säbelzahntiger lange überlegte, war schnell Geschichte. Das Gegenstück ist der Präfrontalkortex , die „Chefetage“ unseres Gehirns. Hier sitzen Vernunft, Planung und Weitblick. Unter normalen Umständen trifft er unsere wichtigen Entscheidungen. Doch unter Stress hat er ein Problem: Er wird von der Amygdala oft übertönt. In echten Gefahrensituationen ist das sogar sinnvoll – doch in inneren Krisen sorgt es für Chaos. Wann Stress uns zu Höchstleistungen bringt Viele Patient:innen berichten, dass sie in akuten Notlagen „wie automatisch“ richtig gehandelt haben. Dieses Phänomen ist gut untersucht: Prioritäten schrumpfen auf das Wesentliche. Wenn es ums Überleben geht, wird die To-do-Liste radikal gekürzt. Statt über Kleinigkeiten nachzudenken, konzentriert sich das Gehirn auf die eine wichtige Entscheidung: Z. B. Weglaufen. Die Intuition arbeitet auf Hochtouren. Intuition ist nichts Mystisches, sondern gespeicherte Erfahrung. Unser Gehirn erkennt Muster blitzschnell und greift auf „Abkürzungen“ zurück, die oft erstaunlich präzise sind. Tunnelblick kann hilfreich sein. Normalerweise ist ein Tunnelblick eher hinderlich. Aber in einer echten Krise blendet er Ablenkungen aus und richtet den Fokus nach vorne, auf das Wesentliche. So erklären sich diese Momente, in denen Menschen plötzlich über sich hinauswachsen – sei es bei einem Unfall, in einer medizinischen Notlage oder im Alltag, wenn etwas wirklich Wichtiges auf dem Spiel steht. Warum uns dieselben Mechanismen in die Irre führen können Das Problem: Nicht jede Krise ist eine Frage von Leben und Tod. Psychische Krisen, wie Grübeln, Überforderung oder Konflikte, aktivieren das gleiche Alarmsystem – ohne dass eine echte Gefahr besteht. Die Folge: Wir reagieren impulsiv und unüberlegt. Kleinere Probleme werden zu Katastrophen hochskaliert. Oder wir erleben einen Blackout – wie bei Prüfungsangst, wenn plötzlich alles Gelernte verschwunden scheint. Besonders nachts zeigt sich dieses Muster. Während die Amygdala erstaunlich wach ist, ist der rationale Präfrontalkortex im Ruhemodus. Mit anderen Worten: Das Alarmsystem ist aktiv, die Vernunft hat Feierabend. Kein Wunder also, dass nächtliche Entscheidungen selten die besten sind. Psychotherapeutische Sicht: Echte Gefahr vs. seelischer Alarm In der Praxis begegnet mir - sinngemäss - oft folgender Satz: „Wenn’s wirklich brennt, bin ich klar. Aber bei inneren Konflikten fühle ich mich völlig verloren.“ Das spiegelt genau die Dynamik wider: In echten Gefahren kann man sich auf viele automatische Reaktionen erstaunlich gut verlassen. In seelischen Krisen aber hilft es, das Stresssystem zu entlarven und ihm nicht blind zu folgen. Psychotherapie kann hier unterstützen: Sie hilft dabei, den Unterschied zwischen „echtem Feuer“ und „Feuer im Kopf“ zu erkennen. Denn während es im Büro sinnvoll ist, sofort loszurennen, ist es bei Beziehungsfragen oder Jobentscheidungen meistens schlauer, die Dinge zu sortieren. Praktische Strategien für bessere Entscheidungen Die gute Nachricht: Wir sind unseren Stressreaktionen nicht völlig ausgeliefert. Ein paar kleine Strategien können helfen, das Chaos im Kopf zu ordnen: Die 24-Stunden-Regel: Wichtige Entscheidungen nicht nachts und nicht im Hochstress treffen, sondern auf den nächsten Tag verschieben. Bewusstes Atmen: Schon ein paar tiefe Atemzüge können das Stresssystem dämpfen und den Präfrontalkortex wieder „aufschalten“. Gedanken parken: Wer nachts grübelnd wachliegt, kann Gedanken aufschreiben. Das entlastet den Kopf, ohne sofort eine Entscheidung erzwingen zu müssen. Mini-Pausen: Bei Streit oder Überforderung lohnt es sich, kurz aus der Situation zu gehen, bevor man reagiert. Helfen kann auch, bis 100 zu zählen, bevor man sich äussert. Hilfe annehmen: Wenn Krisen chronisch werden, kann professionelle Unterstützung helfen, Muster zu durchbrechen. Und zum Schluss noch ein bildhafter Vergleich Unser Gehirn ist wie ein Auto mit zwei Fahrern. Die Amygdala ist der Rallyefahrer – schnell, impulsiv, risikofreudig. Der Präfrontalkortex ist der Fahrlehrer – bedacht, regelbewusst, vernünftig. In echten Krisen ist es wunderbar, wenn der Rallyefahrer übernimmt. Aber sobald es nur um nächtliches Grübeln oder Alltagsprobleme geht, sollte man lieber den Fahrlehrer ans Steuer lassen. Oder, noch einfacher: Grosse Lebensentscheidungen trifft man besser bei Tageslicht – und möglichst nicht nach 22 Uhr. Denn da macht das Gehirn gern Überstunden, aber nicht unbedingt die produktivsten. Fazit Krisen bringen das Beste und das Schlechteste in uns hervor. Wir können darin ungeahnte Kräfte mobilisieren – oder uns hoffnungslos im Gedankenlabyrinth verirren. Wer die Mechanismen kennt, kann lernen, die Klarheit der einen Seite zu nutzen und die Fallen der anderen zu umgehen. Und manchmal hilft schon ein kleiner Aufschub, eine kurze Atemübung oder ein guter therapeutischer Dialog, um die Chefetage im Gehirn wieder ans Ruder zu holen. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Wie läuft eine Behandlung beim Psychiater ab? Ein Blick hinter die Kulissen
Für viele klingt das Wort „Psychiater“ erst mal nach schweren Teppichen, düsterem Blick und einer Couch, auf der man stundenlang über die Kindheit reden muss. Spoiler: In Wirklichkeit ist es deutlich unspektakulärer – und vor allem hilfreicher, als Sie denken. Wer oder was ist ein Psychiater überhaupt? Ein Psychiater ist ein Facharzt für seelische Gesundheit – quasi ein Arzt fürs Innere. Der Unterschied zu einem Psychologen: Psychiater sind Ärzte, haben also Medizin studiert und können auch Medikamente verschreiben. Behandelt werden Depressionen , Angststörungen , Bipolare Störungen , Psychosen und viele andere seelische Belastungen – alles, was einen mental aus der Balance bringen kann. Der erste Termin: Ankommen, erzählen, verstehen Der erste Termin ist vor allem eines: ein Gespräch auf Augenhöhe . Bei mir dauert das Erstgespräch rund 90 Minuten – genug Zeit, um sich in Ruhe kennenzulernen. Anamnese: Ich stelle Fragen zu Ihren aktuellen Beschwerden, Ihrem Alltag, Ihrer Lebensgeschichte und möglichen körperlichen Erkrankungen. Keine Sorge, Sie müssen keinen perfekten Vortrag halten – das ist mein Job, Sie durch die Fragen zu führen. Symptomerfassung: Wir besprechen, wann und wie Ihre Beschwerden auftreten, wie stark sie sind, und nutzen bei Bedarf Fragebögen, um das Ganze besser einzuordnen. Das hilft auch später, den Fortschritt zu messen. Behandlungsplan: Auf Basis der Diagnose schauen wir gemeinsam, welche Therapieformen passen könnten. Das kann eine Psychotherapie sein, manchmal ergänzt um eine Medikation. Reine „Pillenlösungen“ sind selten und auch nicht mein Ziel. Keine Sorge - hier wird nicht geurteilt Ein guter Psychiater hört zu, drängt nicht und bewertet nicht. Es gibt keine „falschen“ Antworten und kein moralisches Urteil darüber, was Sie fühlen. Mein Job ist es, gemeinsam mit Ihnen den Weg zu mehr Stabilität und Lebensqualität zu finden. Medikamente - ohne Mythen Falls Medikamente Teil der Behandlung sind, erkläre ich Ihnen genau, welche Optionen es gibt, wie sie wirken und welche Nebenwirkungen auftreten könnten. Es geht nicht darum, schnell etwas zu verschreiben, sondern gezielt zu unterstützen – so, dass Sie z. B. wieder mehr Energie und Freude im Alltag spüren. Wie es danach weitergeht Regelmässige Termine: Wir überprüfen gemeinsam, wie es Ihnen geht, arbeiten an Ihren Themen und passen die Behandlung bei Bedarf an. Typischerweise sind auch kleine "Hausaufgaben", z. B. Verhaltensexperimente, Teil der Behandlung. Psychotherapie: Häufig empfehle ich Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) , oft kombiniert mit Elementen aus der Klärungsorientierten Psychotherapie . Wenn es Sinn macht, erfolgt auch eine Überweisung an spezialisierte Kolleginnen und Kollegen. Häufige Sorgen - und warum Sie sich entspannen können „Was, wenn ich nicht weiss, was ich sagen soll?“ Kein Problem – ich stelle Fragen, Sie antworten, so einfach ist das :-). „Muss ich sofort Medikamente nehmen?“ Nein. Medikamente sind nur eine Option – und die Entscheidung treffen wir gemeinsam. „Was, wenn ich mich schäme?“ Es gibt keinen Grund zur Scham – psychische Gesundheit ist genauso wichtig wie körperliche Gesundheit. Fazit: Ein Schritt in Richtung Gesundheit Ein Termin beim Psychiater ist kein Sprung ins Ungewisse, sondern ein Schritt in Richtung Klarheit, Stabilität und Lebensfreude . Sie bringen Ihr Anliegen mit – und wir schauen gemeinsam, wie Sie wieder in Balance kommen. Also: Keine Panik vor dem ersten Besuch! Manchmal braucht es einfach jemanden, der mit Ihnen das innere Chaos sortiert – und genau dafür sind Psychiater da. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) - was ist das?
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Wenn neue Denkmuster das Leben leichter machen Stellen Sie sich vor, Ihr Kopf ist wie ein DJ. Er legt ständig "Gedanken-Platten" auf – mal harmonische Melodien, mal nervige Ohrwürmer. Manche Tracks motivieren Sie, andere ziehen Sie runter. Und jetzt die gute Nachricht: Sie können dem DJ sagen, was er spielen soll. Willkommen in der Welt der KVT! Was ist KVT eigentlich? KVT ist eine wissenschaftlich fundierte Therapieform , die sich damit beschäftigt, wie unsere Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen miteinander verbunden sind. Die Idee dahinter ist einfach: Was Sie denken, beeinflusst, wie Sie sich fühlen und wie Sie handeln. Wenn Sie also lernen, belastende Gedanken zu erkennen und zu verändern, können Sie auch Ihr emotionales Wohlbefinden positiv beeinflussen. Ein Beispiel gefällig? Stellen Sie sich vor, Sie haben einen wichtigen Vortrag und denken: „Das wird eine Katastrophe! Ich blamiere mich total!“ Dieser Gedanke sorgt dafür, dass Sie nervös werden, ins Schwitzen geraten und vielleicht sogar zittern. Der Gedanke selbst ist wie der Dirigent des Stresses – aber was, wenn er falsch liegt? Was, wenn Sie sich genauso gut auf den Gedanken fokussieren könnten: „Ich bin gut vorbereitet und werde das schaffen.“ Die Nervosität würde sinken, das Selbstvertrauen steigen. Klingt doch verlockend, oder? Wie funktioniert das in der Praxis? In der KVT lernen Sie, gedankliche Muster zu hinterfragen und zu verändern. Das geht in mehreren Schritten: Gedanken erkennen: Was genau denken Sie in stressigen Momenten? Bewerten: Sind diese Gedanken wirklich wahr oder vielleicht nur alte Gewohnheiten/Automatismen? Verändern: Gibt es realistischere, hilfreichere Gedanken? Dazu kommen oft noch praktische Übungen, die Sie darin unterstützen, neue Verhaltensweisen zu testen. Haben Sie z. B. Angst vor sozialen Situationen? Dann könnte Ihr Therapeut Sie ermutigen, Schritt für Schritt genau diese Situationen zu meistern – und zwar so lange, bis sie ihren Schrecken verlieren. Ein Werkzeugkasten fürs Leben Das Beste an der KVT: Sie gibt Ihnen Werkzeuge an die Hand, die Sie auch nach der Therapie nutzen können. Sie lernen, Ihre Denkmuster langfristig selbst zu steuern und sich nicht mehr von negativen Gedanken dominieren zu lassen. Das ist wie ein persönliches Upgrade für Ihr mentales Betriebssystem. Für wen ist KVT geeignet? Ob bei Angststörungen, Depressionen oder stressbedingten Beschwerden – KVT ist vielseitig einsetzbar und eine der am besten erforschten Therapieformen überhaupt. Und das Beste: Sie brauchen keine Vorkenntnisse. Alles, was zählt, ist Ihre Bereitschaft, an sich zu arbeiten. Fazit: Werden Sie Ihr eigener "Gedanken-DJ" Kognitive Verhaltenstherapie ist kein Hokuspokus, sondern eine praktische Methode, um ein erfüllteres Leben zu führen. Sie zeigt Ihnen, wie Sie Ihren DJ im Kopf neu programmieren – und zwar auf eine Playlist, die Sie unterstützt statt runterzieht. Klingt gut? Dann könnte es sich lohnen, dieser Therapieform eine Chance zu geben. Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.