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Gar nicht so kaputt, wie Sie denken - 7 überraschende Anzeichen, dass es Ihnen besser geht, als es vielleicht scheint

  • Autorenbild: Dr. med. Lienhard Maeck
    Dr. med. Lienhard Maeck
  • 13. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Aug.

Kennen Sie dieses Gefühl, innerlich wie ein altes Möbelstück zu sein? Ein bisschen wackelig, hier und da angekratzt, und wenn man sich zu abrupt hinsetzt, quietscht es sogar?

Viele meiner Patient:innen beschreiben ihre seelische Verfassung so – als wären sie komplett „kaputt“. Doch oft stellt sich im Gespräch heraus: Sie sind gar nicht so kaputt, wie sie denken. Ja, es gibt Wunden, Brüche und schwierige Tage – aber es gibt auch eine Menge Anzeichen dafür, dass psychische Stabilität vorhanden ist.


An dieser Stelle möchte ich Ihnen 7 davon vorstellen. Vielleicht werden Sie beim Lesen überrascht feststellen: „Oh, das mache ich ja auch!“

Warum wir uns oft „kaputter“ fühlen, als wir sind


Bevor wir zu den Anzeichen kommen, müssen wir einen kleinen Ausflug in die Psychologie machen – genauer gesagt: in die Selbstwahrnehmung.


Der innere Kritiker – ein mieser Lautsprecher

Dieser innere Kommentator ist wie ein schlecht gelaunter Radiomoderator, der nur negative Nachrichten vermeldet. Er macht aus einer kleinen Unsicherheit gleich eine Katastrophe („Das hast du wieder total versaut!“) und übersieht dabei komplett Ihre Erfolge. Psychologisch betrachtet spricht man hier von kognitiven Verzerrungen: fehlerhafte Denkmuster, die unser Selbstbild trüben.


Beispiele sind:

  • Schwarz-Weiss-Denken („Entweder perfekt oder wertlos“)

  • Katastrophisieren („Das geht garantiert schief“)

  • Gedankenlesen („Alle denken, ich bin unfähig“)


Medien, Vergleiche und das „Alle anderen sind okay“-Syndrom

Social Media ist das perfekte Beispiel für selektive Wahrnehmung: Wir sehen nur, was andere zeigen wollen – Urlaubsfotos, Erfolgsmeldungen, lächelnde Gesichter. Die Panikattacke am Flughafen oder das Streitgespräch vor dem romantischen Pärchenfoto bleiben unsichtbar. Kein Wunder, dass wir glauben: „Bei allen anderen läuft’s besser.“

Anzeichen 1: Sie suchen sich Hilfe und nehmen Unterstützung an


Viele halten Hilfesuche für ein Zeichen von Schwäche. In Wahrheit bedeutet es: Sie übernehmen Verantwortung für Ihre mentale Gesundheit. Hilfe zu suchen – sei es in Form von Therapie, Gesprächen mit Freund:innen oder Selbsthilfegruppen – zeigt, dass Sie nicht passiv im Problem verharren. Sie sind aktiv, Sie wollen etwas verändern. Das ist das Gegenteil von „kaputt“.


Eine Patientin sagte mir einmal: „Ich komme mir so schwach vor, weil ich jetzt schon den dritten Therapeuten aufsuche.“ Das ist aber wie bei einem Handwerker – manchmal muss man so lange suchen, bis es passt. Das ist nicht Zeichen von Schwäche, sondern von Beharrlichkeit.

Anzeichen 2: Sie können über sich selbst lachen


Humor ist psychisches Schmieröl – er macht vieles leichter. Wer sich über eigene Missgeschicke amüsieren kann, hat Abstand zu seinen Problemen. Selbstironie unterscheidet sich von Selbstabwertung: Sie sagt nicht „Ich bin wertlos“, sondern „Ich bin Mensch – und manchmal herrlich chaotisch“. Studien zeigen, dass Humor Stress reduziert, das Immunsystem stärkt und - sofern man ihn im Beisein anderer auslebt - soziale Bindungen vertieft.


Ein Patient erzählte mir, wie er bei einer Präsentation aus Versehen ein falsches Dia zeigte – und es erst merkte, als das Publikum über ein Katzenfoto lachte. Statt in Panik zu verfallen, machte er einen Witz daraus. Die Präsentation wurde ein Erfolg – und er ging mit einem Plus an Selbstvertrauen nach Hause.

Anzeichen 3: Sie haben funktionierende Bewältigungsstrategien


Vielleicht meditieren Sie, gehen spazieren, hören Musik oder sprechen mit einer Freundin, wenn es Ihnen schlecht geht. Diese „kleinen Tricks“ sind in Wahrheit hochwirksame Coping-Strategien. Viele glauben, Strategien müssten spektakulär sein – Yoga-Retreats, Vision Boards, 30-Tage-Challenges. In Wirklichkeit zählt vor allem, was im Alltag funktioniert. Jede bewusst eingesetzte Massnahme, um sich zu stabilisieren, ist ein Zeichen von Resilienz.

Anzeichen 4: Sie fühlen noch etwas – auch wenn’s weh tut


Viele, die sich „kaputt“ fühlen, empfinden starke Emotionen. Das kann unangenehm sein – aber es ist ein Zeichen, dass das emotionale System funktioniert. Traurigkeit, Angst, Wut – all das sind Signale, dass Ihr Inneres aktiv ist. Emotional völlig „abgeschaltet“ zu sein, wäre hingegen ein Warnsignal, das oft bei schweren Depressionen oder Traumafolgestörungen auftritt. Gefühle sind wie nervige Verwandte: Manchmal wünscht man, sie würden nicht so oft vorbeischauen – aber wenn sie wegbleiben, macht man sich Sorgen.

Anzeichen 5: Sie stellen sich Ihren Ängsten Schritt für Schritt


Mut ist nicht, keine Angst zu haben – Mut ist, trotz Angst zu handeln. Viele unterschätzen die Kraft der Mikroschritte. Beispiel: Sie gehen trotz sozialer Angst in den Supermarkt – vielleicht nur für einen Liter Milch. Das ist Training für Ihr Nervensystem.

Anzeichen 6: Sie sind offen für Veränderung


Neugier ist ein Resilienz-Booster. Selbst wenn Selbstzweifel da sind – die Bereitschaft, Neues zu probieren, ist ein klarer Hinweis auf innere Stabilität. Psychisch stabile Menschen haben kein starres Schwarz-Weiss-Denken, sondern können flexibel reagieren.

Offenheit für Neues zeigt, dass Ihr Gehirn nicht nur im „Überlebensmodus“ arbeitet, sondern auch im „Gestaltungsmodus“.

Anzeichen 7: Sie können anderen Mut machen


Empathie ist oft das Produkt eigener Kämpfe. Wer anderen zuhört, sie tröstet oder inspiriert, zeigt innere Stärke. Oft erkennen wir in anderen genau die Kämpfe, die wir selbst austragen – und können deshalb besonders wirksam unterstützen.

Das ist keine „Therapie nebenbei“, sondern eine Fähigkeit, die tief aus Resilienz und Lebenserfahrung kommt.

Wie Sie Ihre Fortschritte sichtbarer machen


  • Führen Sie ein Fortschrittstagebuch – kleine Erfolge aufschreiben.

  • Feiern Sie Mini-Meilensteine – schon ein Gespräch ohne Vermeidungsverhalten ist ein Erfolg.

  • Vergleichen Sie sich mit Ihrem früheren Ich – nicht mit den Hochglanzversionen anderer.

Wann es trotzdem Zeit für professionelle Hilfe ist


Manchmal ist es sinnvoll, Unterstützung anzunehmen, auch wenn vieles gut läuft:


  • Wenn Selbstzweifel lähmend wirken

  • Wenn Alltagsbewältigung dauerhaft schwerfällt

  • Wenn emotionale Leere oder Antriebslosigkeit anhalten


Frühe Hilfe ist keine Kapitulation, sondern kluge Selbstfürsorge.

Fazit – Sie sind wahrscheinlich robuster, als Sie denken


„Kaputt“ ist selten das passende Wort. Oft sind wir eher wie Lieblingsgegenstände: Gebrauchsspuren ja, aber voll funktionsfähig – und vielleicht gerade dadurch besonders wertvoll.

FAQ – Häufige Fragen


1. Kann man psychische Stabilität messen?

Ja – über psychologische Tests und Gespräche. Aber oft ist das subjektive Gefühl im Alltag der beste Indikator.


2. Bedeutet Stabilität, keine Probleme zu haben?

Nein. Stabilität heisst, Probleme so zu handhaben, dass sie dich nicht vollständig aus der Bahn werfen.


3. Wie erkenne ich Rückschritte?

Anhaltende Verschlechterung Ihrer Stimmung oder zunehmende Vermeidung von Aktivitäten können Hinweise sein.


4. Ist Humor immer ein Zeichen von Stärke?

Nicht immer – manchmal ist er ein Schutzschild. Aber auch das kann vorübergehend hilfreich sein.


5. Kann Therapie zukünftigen Krisen vorbeugen?

Ja, und das sogar sehr effektiv – wie ein mentales Fitnessstudio.


6. Was tun, wenn sich trotz Fortschritten alles schlecht anfühlt?

Gefühle schwanken. Wichtig ist, dranzubleiben, Routinen zu pflegen und ggf. Hilfe zu suchen.

Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.

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