Was Traumafolgestörungen mit dem Gehirn machen: Die Neurobiologie von PTBS und k-PTBS
- Dr. med. Lienhard Maeck
- 26. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Traumafolgestörungen Teil 3/5
Traumatische Erlebnisse hinterlassen Spuren – und zwar nicht nur im Gedächtnis, sondern auch im Gehirn selbst. Doch was genau passiert da eigentlich? Und warum sind die Auswirkungen von PTBS und komplexer PTBS (k-PTBS) so vielschichtig? In diesem Beitrag schauen wir uns die Veränderungen im Gehirn genauer an.
Die „Hotspots“ des Traumas:
Amygdala, Hippocampus und präfrontaler Kortex
Es gibt drei Bereiche im Gehirn, die besonders bei PTBS betroffen sind:
Amygdala – das Angstzentrum
Hippocampus – der Ordnungshüter der Erinnerungen
Präfrontaler Kortex – die Steuerzentrale für Vernunft und Kontrolle
Amygdala: Alarmanlage im Dauerbetrieb
Die Amygdala ist quasi das emotionale Frühwarnsystem. Bei PTBS läuft sie auf Hochtouren. Sie reagiert übertrieben stark auf potentielle Gefahren und schickt das ganze System in Alarmbereitschaft – egal, ob echte oder vermeintliche Bedrohung im Spiel ist. Das Ergebnis: Schon kleine Auslöser können das Gefühl von Angst und Panik hervorrufen. Das erklärt, warum Betroffene oft schreckhaft sind und sich ständig „wachsam“ fühlen.
Hippocampus: Wenn Erinnerungen aus dem Rahmen fallen
Normalerweise sorgt der Hippocampus dafür, dass Erlebnisse sauber abgelegt und zeitlich eingeordnet werden. Nach Traumata kann der Hippocampus schrumpfen oder schlechter arbeiten. Erinnerungen an das Trauma werden dann wie lose Puzzlestücke gespeichert und tauchen unvermittelt auf – Flashbacks sind das auffälligste Symptom. Gleichzeitig fällt es schwer, neue positive Erfahrungen richtig abzuspeichern, was die Belastung zusätzlich erhöht.
Präfrontaler Kortex: Steuerung ausser Kraft
Der präfrontale Kortex hilft normalerweise, Gefühle zu regulieren und Impulse zu kontrollieren. Doch bei PTBS und besonders bei k-PTBS ist hier oft „Funkstille“. Emotionale Reaktionen steuern dann eher die Amygdala und weniger das rationale Gehirn. Dadurch fällt es schwerer, sich zu beruhigen, die Kontrolle zu behalten oder Distanz zu beängstigenden Erinnerungen herzustellen. Im Falle der k-PTBS wirkt sich das besonders auf zwischenmenschliche Beziehungen, Selbstbild und Affektregulation aus.
Stresshormone und Vernetzung
Traumafolgen sind aber mehr als ein „Alarmproblem“. Im Gehirn sorgt anhaltender Stress durch PTBS und k-PTBS oft für ein Übermass bestimmter Stresshormone wie Cortisol. Das beeinflusst wiederum die Funktion und Struktur von Nervenzellen. Über längere Zeit verändert sich so die Architektur der Hirnregionen: Manche Areale werden kleiner, andere – wie die Amygdala – wachsen sogar. Die Balance zwischen den verschiedenen Netzwerk-Systemen im Gehirn verschiebt sich, was die Regulation von Gefühlen, Aufmerksamkeit und Gedächtnis erschwert.
Einfluss auf das Netzwerk für Bindung und Identität (k-PTBS)
Bei k-PTBS ist nicht nur die Verarbeitung von Angst und Erinnerung betroffen. Auch Netzwerke, die für Bindung, Selbstbild und Emotionssteuerung wichtig sind, geraten aus dem Gleichgewicht. Das macht sich bemerkbar in starker innerer Unsicherheit, Problemen mit Nähe und Distanz und häufigen Gefühlsausbrüchen. Die Betroffenen erleben sich oft als "fremd im eigenen Leben" oder fühlen sich wie abgeschnitten von sich selbst und anderen.
Kann sich das Gehirn wieder erholen?
Die erfreuliche Nachricht: Unser Gehirn ist anpassungsfähig! Mit gezielter Therapie und Unterstützung können viele der beschriebenen Veränderungen rückgängig gemacht oder abgemildert werden. Neue neuronale Verbindungen entstehen, und das Stresssystem kann herunterfahren. Auch wenn der Heilungsweg oft lang ist, lohnt es sich dranzubleiben und Unterstützung anzunehmen.
Fazit: PTBS und k-PTBS gehen mit "echten", grundsätzlich messbaren Veränderungen im Gehirn einher. Das Verständnis für diese Prozesse kann Betroffenen helfen, besser mit ihren Symptomen umzugehen und Hoffnung auf Besserung zu schöpfen.
Disclaimer: Dieser Blogbeitrag dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Therapeuten.